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Sonderveröffentlichung
Start in den Beruf

Hebamme, Bäuerin und Naturschützerin

Berufsbild: Josefine Schön wird Schäferin / „Man muss für diesen Beruf geboren sein“ / Bei Wind und Wetter draußen

Hebamme, Bäuerin und Naturschützerin

„Eine Verbindung mit den Tieren und die Liebe zur Natur ist Grundvoraussetzung“, sagt Josefine Schön. BILD: DPA

Die Lämmersaison ist die härteste Zeit des Jahres für Josefine Schön. Angst vorm bösen Wolf hat die 20-Jährige nicht.Verdammt kalt ist es an diesem Wintermorgen im Stall. Es ist Lämmersaison, die arbeitsreichste Zeit des Jahres. Josefine Schön verteilt Silage, der Laie würde es schlicht für Heu halten. Die 20-Jährige will Schäferin werden.

„Schäfer ist ein unglaublich vielseitiger Beruf“, schwärmt Schön. Kurz stützt sich die junge Frau auf die mächtige Forke, dann geht es weiter. „Wir sind Landschaftsgestalter, Hebamme, Tierarzt, Zimmermann und Bauer“, sagt sie.

„Dafür muss man geboren sein, sonst klappt das nicht“, sagt Uwe Storm (53), Schäfer seit mehr als drei Jahrzehnten. „Das ist kein leichter Job.“ Schön macht ihre Ausbildung auf dem abgelegenen Landschaftspflegehof Tütsberg in Niedersachsen. Das Gelände mit seinen Fachwerkbauten gehört der Stiftung Naturschutzpark Lüneburger Heide. Neun Schäfer und zwei Auszubildende hüten sechs Schafherden und eine- Ziegenherde – das heißt: rund 2000 Mutterschafe der Rasse „Graue gehörnte Heidschnucke“ und etwa 300 Ziegen.

Schön ist die einzige Frau, im Sommer 2014 hat sie ihre Lehre begonnen. „Eine Verbindung mit den Tieren und Liebe zur Natur sind Grundvoraussetzungen, wenn man in diesem Beruf anfangen will“, sagt die fröhliche junge Frau. „Ich habe ein Praktikum auf einem Milchziegenhof gemacht, das hat mir gefallen. Da kam der Wunsch, in der Richtung was zu machen.“

Lämmersaison ist Dauerstress, da sind die Schäfer auch mal nachts im Stall. „Mein Freund ist auch Schäfer, er kennt die Arbeitszeiten“, sagt Schön. Schäferei sei sehr viel mehr als nur Schafe hüten. „Scheren ist auch anstrengend, ich muss die Schafe für den Scherer halten.“ Dazu kommt das Ausmisten des Stalles, Zäune müssen errichtet und Futterraufen umgestellt werden. Da komme sie schon einmal an die Grenzen ihrer Kraft, räumt die Nachwuchsschäferin ein.

Auch psychisch könne der Job schwierig sein. „Wenn man tagelang ein Flaschenlammaufpäppelt und es das Tier dann doch nicht schafft, das nimmt einen manchmal mit. Aber man muss wirtschaftlich denken.“ Ein Großteil der Lämmer werde in den kommenden Monate geschlachtet, das gehöre dazu, sagt Schön. „Sie wachsen bei ihrer Mutter auf, nicht im Maststall.“ Außerdem esse sie selbst auch gern Schnuckenfleisch, sagt die angehende Schäferin. Auch blieben einige Lämmer für die Nachzucht da. Ihr Liebling ist Ziegen-Hammel Hörnchen.

Am Mittag treibt Josefine die übrigen Tiere von draußen zu den Mutterschafen im Stall. Heute ging es nur auf die Wiese nebenan, sonst zieht sie das ganze Jahr über durch die Heide. „Auch wenn der Wind pfeift muss man seine acht Stunden draußen stehen“, sagt die junge Frau mit den wachen Augen und dem langen Pferdeschwanz. „Aber ich bin kein Schön-Wetter-Schäfer“, betont sie. Auf der Wiese zeigen sich plötzlich zwei schwarze Neuankömmlinge, zwei Lämmer mehr also, nun sind es schon fast 200.

Im Sommer habe die Schäferei durchaus auch ihre romantischen Seiten, erklärt die 20-Jährige, mit Morgennebel und den Sonnenuntergängen über der weiten Landschaft mit Heidekraut und Wacholderbäumen. „Man muss es schon mögen, allein zu sein“, sagt Schön, die in einem Dorf bei Bispingen wohnt. Sie schätzt die warmen Monate, auch wenn da die Touristen mit ihren vielen Fragen kämen. „Dann ist man Fotomodell, das wird mit der Zeit ein bisschen anstrengend“, sagt Schön, die mit ihren Hütehunden Aggi und Diesel 350 Mutterschafe samt ihren Lämmern und bis zu 25 Ziegen durch die Heide dirigiert.

Angst vor Wölfen hat sie keine, nicht nur wegen der beiden Hunde. „Man muss schauen, wie sich die Wolfspopulation in den kommenden Jahren entwickelt“, meint Schön. Im Gegensatz zu manchem Kollegen – die Verluste und Mehraufwand beklagen – sei sie da ganz offen. „Wir haben es hier aber auch sicherer als andere, weil die Tiere abends fast immer in den Stall kommen.“

Josefine Schön und ihre Kollegen vom Tütsberghof sind auch für die Landschaftspflege der Heide zuständig, die ihre Entstehung unkontrollierter Abholzung verdankt. „Ohne die Heidschnucken würde die Heide rasch verbuschen und wieder zu Wald werden“, erklärt sie.

Kein halbes Jahr mehr, dann ist ihre Lehre vorbei. „Im Juli bin ich fertig – hoffentlich“, sagt Schön. Es sieht nicht schlecht aus für Josefine Schön und Hörnchen. „Wir sind mit ihr sehr zufrieden“, sagt Betriebsleiter Andreas Koopmann. „Wir haben ihr angeboten, die Ziegenherde zu übernehmen.“ Und sie möchte im Betrieb bleiben, Hüteschäferin werden. „Die Arbeit macht mich glücklich.“ dpa/tmn